Kritikalität von Technologiemetallen: Innovation und FuE sind die Antwort!

Simulation elektrischer Antriebe mittels Kopplung von CFD-Analysen und einem Lumped Parameter Thermal Network.

Die Elektrifizierung von Antrieben ist eines der wesentlichen Zukunftsthemen der Mobilität von morgen. Doch auch abseits von Diskussionen um Reichweite und Ladeinfrastruktur sind mit Elektroantrieben in Pkw weitere Herausforderungen verbunden. Aufgrund von Wirkungsgrad und Leistungsdichte werden in Elektrostraßenfahrzeugen überwiegend Permanentmagnet-erregte Synchronmaschinen eingebaut. Die hier eingesetzten Magnete wiegen zwischen einem und mehr als zwei Kilogramm – rund ein Drittel hiervon entfällt auf Seltenerdmetalle, die hinsichtlich ihrer Gewinnung, Verfügbarkeit und möglichen Preisentwicklung als kritische Rohstoffe eingestuft werden. Die Fraunhofer-Gesellschaft und das Fraunhofer LBF betrachteten deshalb die Optimierung von elektrischen Traktionsantrieben mit dem Ziel, den Masseanteil schwerer Seltener Erden in diesen Magneten um 50 Prozent zu reduzieren.

Kritikalität Seltener Erden

Unsere heutigen Nachhaltigkeitstechnologien wie Photovoltaik, Windenergie oder Elektromobilität sind in großem Umfang auf Technologiemetalle wie Seltene Erden, Gallium, Lithium oder Kobalt angewiesen. Die Preisentwicklung der Seltenen Erden in den vergangenen zehn Jahren schaffte ein besonderes Bewusstsein für die Kritikalität von Technologiemetallen: Im Zeitraum von 2006 bis Anfang 2011 stieg der Preis für Dysprosium um das Vierzigfache. Eine solche Rohstoffkritikalität ist also immer im Kontext des effizienten Einsatzes, des Recyclings sowie des in sozialer und ökologischer Hinsicht fairen Abbaus zu betrachten: Deshalb initiierte die Fraunhofer-Gesellschaft ein durch ihren Präsidenten gefördertes Leitprojekt, in dem relevante Aspekte zu Magnetmaterial und -produktion, effizienter Nutzung von Hochleistungsmagneten in elektrischen Antrieben sowie Fragestellungen zu Wertstoffkreisläufen systemisch untersucht wurden.

Motorbelastung und –temperatur im LBF Traktionszyklus.

 Vergleich der Zeitdaueranteile verschiedener Fahrzyklen (NEFZ | WLTP | LBF)

Temperaturkollektiv des elektrischen Antriebs im Mischverkehr über 5.000 km.

Spezieller LBF E-Traktionsprüfstand zur Laborsimulation von Fahrzyklen.

Unter Berücksichtigung von Populationsdichte und -konzentrationen in Deutschland wurde ein periurbaner Rundkurs im Rhein-Main Gebiet als LBF-Traktionsreferenzzyklus bestimmt. Die Streckenanteile des 76,6 km langen Rundkurses stellen eine repräsentative Abbildung relevanter Verbindungsfunktionsstufen dar und gewährleisten entsprechende Fahrbetriebsbedingungen.

LBF-Wissenschaftler entwickeln neuartigen, multiphysikalischen Simulationsprozess

Mit der Zugabe von Dysprosium werden das anisotrope Feld und die Koerzivität des Magnetwerkstoffs erhöht: Damit verbessern sich die Temperaturstabilität sowie die Robustheit gegenüber Störfeldern. Das Fraunhofer LBF untersuchte an einem elektrischen Traktionsmotor, wie Motorsteuerung und -kühlung optimiert werden können, um die Temperaturbelastung der Magnete so zu mindern, dass Dysprosium reduzierte Magnete eingesetzt werden können. Hierzu wurden relevante Last- und Leistungsgrößen der permanenterregten Synchronmaschine (PSM) von Traktionsantrieben unter realen Fahrbetriebsbedingungen ermittelt und analysiert sowie ein statistisch abgesichertes, skalierbares Kollektiv für die Betriebslastensimulation elektrischer Traktionsantriebe entwickelt.

Die Bewertung verschiedener Konzepte für die optimierte Auslegung machte eine Berechnung des transienten Temperaturverhaltens unter Berücksichtigung nichtperiodischer Last- und Drehzahländerungen notwendig: Für die Konzeptvarianten des Motors wurde deshalb im Fraunhofer LBF ein thermisches Netzwerkmodell (engl.: Lumped Parameter Thermal Network | LPTN) entwickelt, in dem die für Wärmequellen bzw. -senken sowie Wärmeleitung maßgeblichen Komponenten ohne ihre räumliche Ausdehnung und nur als diskrete Netzwerkpositionen berücksichtigt werden. Die Simulationen mit dem LPTN-Modell waren das zentrale Element für die Ermittlung thermischer Lastgrößen des elektrischen Antriebs sowie der darauf aufbauenden optimierten Auslegung.

Nachhaltiger Umgang mit Dysprosium ist möglich

Im Hinblick auf das technische und wirtschaftliche Realisierungspotenzial war die optimierte Auslegung des elektrischen Antriebs mit einer kombinierten Wassermantel- und Wickelkopfkühlung möglich: Die optimierte Kühlung durch Umgestaltung des Wassermantels im Gehäuse und die Integration einer Wickelkopfkühlung reduzierte die Temperaturbelastung der Magnete und ermöglicht damit den Einsatz Dysprosium reduzierter Werkstoffe. Mit einer durch die optimierte Kühlung möglichen Reduzierung der Magnettemperaturen um 20 K erhöht sich die Koerzivität einen Betrag, der zuschlagsäquivalent zu einem Masseanteil von ca. 0,65% Dysprosium ist. Damit lässt sich der Masseanteil des Dysprosiums gegenüber dem ursprünglich spezifizierten Gehalt um rund 30% reduzieren.

Kundennutzen

Die im Leitprojekt entwickelten, zusätzlichen werkstoff- und produktionstechnischen Maßnahmen erlaubten eine weitere Reduktion des Dysprosiumsanteils in leistungsgleichen Magneten, so dass in der Magnetproduktion sowie in der Anwendung im Elektromotor bereits substanzielle Fortschritte zu erzielen sind.

Reduktion der Magnettemperaturen durch ­optimierte Kühlung des Motors.

Bewertung technischer Optionen auf Basis der ­Ergebnisse multiphysikalischer Simulationen

  • Latentwärmespeicher (Phase-Change-Material | PCM) für Rotor und Stator,
  • Direkte Kühlung der Kupferwicklung im Bereich der Statorwicklung und/oder des Wickelkopfes,
  • Zusätzliche Luftkühlung des Motorinnenraums,
  • Kombinierte Wassermantel- und Wickelkopfkühlung (siehe Grafik)

 

Förderer und Partner

Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Forschung e.V.

»Wir sind mit den Ergebnissen des Leitprojekts äußerst zufrieden. Wir haben nicht nur hervorragende technische Lösungen entwickelt, sondern das Thema von der quantenphysikalischen Computersimulation von Magnetmaterialien über die endformnahe Fertigung von Magneten bis hin zur Rückgewinnung der eingesetzten Seltenerdmetalle nach der Nutzungsphase in den Blick genommen. Durch die auch im internationalen Maßstab einzigartige Breite und Tiefe der Kompetenzen haben wir sehr konkrete Fortschritte erzielt und weitere Ansatzpunkte für einen effizienteren Einsatz von Seltenen Erden und die Substitution identifiziert. Diese Ergebnisse wollen wir nun mit Unternehmen in den Markt bringen.« Prof. Ralf Wehrspohn – Leiter des Gesamtprojekts »Kritikalität Seltener Erden« und Institutsleiter des Fraunhofer IMWS in Halle

Ihr Ansprechpartner zu diesem Projekt