Digitalisierung von Entwicklungsprozessen greifbar gemacht.

Fahrradgriff (© Ergon International GmbH)

Fast alle Institutionen und Unternehmen stehen vor den Herausforderungen, die die Digitalisierung der Arbeitswelt mit sich bringt. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) stehen dabei vor anspruchsvollen und chancenreichen Aufgaben. Als Teil des »Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt« unterstützen wir KMU bei diesen Herausforderungen. Im Zuge eines Umsetzungsprojektes erarbeiten wir gemeinsam mit der Ergon International GmbH Methoden und Werkzeuge, um den Entwicklungsprozess von ergonomischen Fahrradgriffen zu digitalisieren. 

Griffflächen als Mensch-Maschine-Schnittstelle

Griffflächen sind komplexe, in der Entwicklung oft vernachlässigte, Mensch-Maschine-Schnittstellen. Bei der Auslegung von Griffverbindungen kommt es häufig zu einem Zielkonflikt zwischen der möglichst präzisen Führung des gehaltenen Gegenstandes und der notwendigen Reduktion der Vibrationsübertragung auf den Menschen. Als Designfreiheitsgrade stehen die Geometrie der Grifffläche sowie die Eigenschaften des jeweiligen Materials zur Verfügung.

Digitalisierung des Entwicklungsprozesses als Herausforderung

Griffverbindungen werden heute oft in iterativen Prozessen entwickelt. Ergonomiespezialisten, Designer und Fachleute für das Herstellungsverfahren steuern Ihre Expertise bei. Es entstehen erste Prototypen, welche durch Probanden getestet und bewertet werden. Die Bewertung der Prototypen unterscheidet sich oft von Proband zu Proband.

Um diesen Entwicklungsprozess zu beschleunigen, wurde eine Methode entwickelt um eine erste Eigenschaftsabsicherung von Fahrradgriffen mittels numerischer Simulationen zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung der Eingangs- (z.B. Material) und Optimierungsgrößen (z.B. lokale Druckverteilung) wurde daher ein virtuelles numerisches Modell des Hand-Griff-Kontakts aufgebaut, und es wurden erste numerische Ergebnisse erzeugt. Neben der Modellbildung zeigte sich die Bewertung der Ergebnisse als herausfordernd. 

In einem parallelen Projekt wurden experimentelle Arbeiten durchgeführt, um die Simulationsergebnisse bewerten zu können. Neben Beschleunigungs- und Kraftmesswerten wurde die Ermüdung der Muskeln mittels Elektromyographie (EMG) ermittelt.

Abb. 1: Fahrradgriff. (© Ergon International GmbH)

Abb. 2: Numerisch berechnete Druckverteilung. (© Fraunhofer LBF)

Abb. 3: Versuchsaufbau im Labor. (© Fraunhofer LBF)

Schnellerer Entwicklungsprozess und geringere Werkzeugkosten

Durch die entwickelte Methode wird eine schnelle erste Bewertung von Griffen möglich ohne Prototypen herzustellen. Eine Bewertung durch TestfahrerInnen ist weiterhin nötig, allerdings kann die Anzahl notwendiger Prototypenvarianten reduziert werden. Hierdurch wird der Entwicklungsprozess beschleunigt und es werden Werkzeug- sowie Fertigungskosten in der Entwicklungsphase eingespart. 

www.lbf-jahresbericht.de/leistungen/perspektiven/mittelstand-40-kompetenzzentrum-darmstadt/ und www.kompetenzzentrum-darmstadt.digital/ 

[1] JEE, Soo-chan & HWAN YUN, Myung. »An anthropometric survey of Korean hand and hand shape types«. International Journal of Industrial Ergonomics. 2016, vol 53, p. 10–18.

[2] DIN EN ISO 5349-1:2001–12, »Mechanische Schwingungen – Messung und Bewertung der Einwirkung von Schwingungen auf das Hand-Arm-System des Menschen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen«; Deutsche Fassung EN ISO 5349-1:2001.

Numerisches Modell von Hand und Griff, mit Abbildungen aus [1] und [2]. (© Fraunhofer LBF)

Numerisches Modell von Hand und Griff, mit Abbildungen aus [1] und [2]. (© Fraunhofer LBF)

Förderer und Partner

Ergon International GmbH, Koblenz

Teilweise gefördert durch das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt als Teil der Förderinitiative »Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse« des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)

»Digitalisierung ist sehr hilfreich für uns, weswegen wir hier weiter Knowhow aufbauen möchten. Diese Entwicklung wird möglicherweise die erste von vielen mit digitaler Unterstützung sein.« Franc Arnold, CEO Ergon International GmbH

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