Cyberphysisches vernetztes Prüfen verkürzt Entwicklungszeiten.

Digitalisierung, erweitere Hardware-in-the-Loop Anwendung, digitaler Zwilling, Entwicklungszeitverkürzung

Internet – Grundlage für die cyberphysische vernetzte Prüfung.

Basierend auf einer Erweiterung der Hardware-in-the-Loop (HiL) Technologie und auf einem VPN-gestützten firmenübergreifenden Netzwerk, haben Wissenschaftler im Fraunhofer LBF neue Methoden für einen cyberphysischen Prüfansatz erarbeitet. Diese neuen Methoden wurden im Rahmen des Verbundvorhabens TechReaL zur standort- und partnerübergreifenden Vernetzung von vorhandenen Komponenten- und Systemprüfständen entwickelt. Die maßgebende Zielsetzung ist die Reduzierung von Kosten und Zeiten, durch eine frühzeitige Inbetriebnahme und Prüfung von Einzelkomponenten auf realitätsnaher Gesamtsystemebene.

Die Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen und Systemen findet heutzutage nicht nur an einem Standort statt. Um ein Gesamtsystem testen zu können, müssen bislang die Komponenten an einem Standort zusammengeführt werden. In der Wirtschaft besteht großes Interesse daran, die damit verbundenen zeitlichen, finanziellen und logistischen Aufwendungen zu reduzieren.

Reduzierung von Entwicklungskosten und Entwicklungszeit

Das Fraunhofer LBF hat dazu in den vergangenen drei Jahren mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft daran gearbeitet, wie sich auf Basis der Digitalisierung und moderner Netzwerktechnologien Komponenten und Prüfstände verteilt und standortübergreifend vernetzen und zu einem Gesamtprüfsystem verbinden lassen. In dem vom BMWi geförderten Projekt TechReaL wurde eine vernetzte Prüfumgebung für einen elektrischen PKW-Antriebsstrang inkl. Traktionsbatterie standortübergreifend aufgebaut und im Dezember 2018 sehr erfolgreich abgeschlossen. Es konnte gezeigt werden, dass mit diesem Ansatz eine Reduzierung der Entwicklungskosten und -zeit von 15% möglich ist.

Die technische Grundlage des vernetzten Prüfens bildet ein standortübergreifendes VPN-Netzwerk, welches die in ganz Deutschland verteilten unterschiedlichen Prüfstände und Computer miteinander über das Internet verbindet. Dieses Projektnetzwerk muss einerseits die Anforderungen der partnergreifenden multilateralen Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Knoten sicherstellen. Auf der anderen Seite gilt es, einen ungewollten externen Zugang ins firmeneigene Hauptnetzwerk zu unterbinden.

Eine weitere essentielle technische Grundlage für das realitätsnahe vernetze Prüfen ist die HiL-Technologie. Hierbei werden ein real vorhandenes Teilsystem und dessen Prüfstand in eine virtuelle Umgebung eingebunden. Letztendlich kann so eine realitätsnahe Prüfung erfolgen, da das zu testende Teilsystem unter denselben Bedingungen wie im Gesamtsystem eingebunden ist. Die virtuelle Umgebung simuliert hierbei die restlichen fehlenden Teilsysteme des Gesamtsystems.

In TechReaL wurde eine innovative Erweiterung des klassischen HiL-Ansatzes erarbeitet: Es befinden sich nicht nur eine, sondern mehrere reale Komponenten in der Prüfung, und der geschlossene Signalaustausch findet über das Internet statt. Die Prüfung der realen Komponenten, virtuell ergänzt zu einem Gesamtsystem, läuft in Echtzeit gleichzeitig an mehreren partnerübergreifenden Standorten. Durch die Verbindung der mechanischen Komponenten mit Software und dem Internet spricht man hier auch von einem cyberphysischem System.

Standort- und partnerübergreifende Vernetzung von Komponentenprüfständen und Simulation im Projekt TechReaL.

Konzept der auf digitalem Zwilling entwickelten Methodik zur Lösung des Problems der Latenzzeit in der Kommunikation. (Use-Case: Batterie)

Fehler im Spannungssignal ohne und mit dem digitalen Zwilling.

 

Fraunhofer LBF entwickelt technische Lösungen für vernetzte HiL-Prüfungen

Bedingt durch die Kommunikation über das Internet und der damit verbundenen schwankenden Übertragungsqualität kann es zu Signalverzögerungen kommen. Die Projektergebnisse zeigen, dass diese Latenzzeit typischerweise deutlich länger ist als die Datenaustauschrate, welche die Dynamik des gesamten HiL-Systems benötigt. Latenzen beeinträchtigen die Ergebnisgüte und können bis zu einem Ausfall der Simulation und Prüfung führen. Zur Lösung dieser Herausforderung wurde am Fraunhofer LBF eine Methodik entwickelt, die auf digitalen Zwillingen aufsetzt. Sie besteht aus einem Simulationsmodell des Prüflings und einer Identifikationsstrategie der zugehörigen Modellparameter. Die parallel zur Prüfung ablaufende Simulation des digitalen Zwillings prognostiziert die Austauschsignale zwischen den Komponenten und stellt so einen kontinuierlichen Datenaustausch und Prüfablauf sicher. Um die Qualität der Schätzung sicherzustellen, wird der digitale Zwilling anhand von aktuell gemessenen Signalen an der realen Komponente aktualisiert.

Diese Methodik wurde für den Use-Case der HV-Batterie im Zusammenhang mit der Prüfung anderer Antriebsstrangkomponenten und  der Gesamtfahrzeugsimulation erfolgreich umgesetzt und in vernetzten Prüfungen getestet. Es wurde das Spannungssignal aus der Batterie ausgewertet, das als Eingangsgröße für die Fahrzeugsimulation an einem anderen Standort dient. Aufgrund der Latenzzeit in der Kommunikation wurden Fehler in Höhe von 15% gemessen. Mit dem Einsatz der entwickelten Methodik konnte der Fehler auf 0,1% reduziert werden.

Neben diesen Arbeiten war das LBF-Team maßgeblich beteiligt am Aufbau des Projektnetzwerkes und der Entwicklung von weiteren echtzeitfähigen partnerübergreifenden Simulationsmodellen für das cyberphysische Prüfen. Weitere Arbeiten in diesem zukunftsträchtigen und hoch spannenden Thema laufen bereits bzw. sind geplant.

Kundennutzen

Durch die zuverlässige vernetzte HiL-Komponenten-Prüfung entfällt die Zusammenführung von Komponenten in ein Gesamtsystem wodurch Entwicklungskosten insgesamt um bis zu 15% reduziert werden können.

Förderer und Partner

AVL Deutschland GmbH
Set Power Systems GmbH
Schaeffler Technologies AG & CO. KG
Fraunhofer IISB
Fraunhofer LBF (Gesamtkoordination)
BMW (assoziiert)

»Das Projekt TechReaL leistet, dank der erfolgreichen Kooperation, der innovativen Ansätze und Lösungen, einen wichtigen Beitrag zum standortübergreifenden vernetzten Prüfen.« David Nickel, AVL, Projektleiter

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